Donnerstag, 22. Dezember 2011

Luftbuchungen

In der Regel gebe ich bei solchen Artikeln nach dem ersten Absatz auf. Aber diesmal habe ich mich durchgebissen, manches mehrfach gelesen. Und Folgendes verstanden: Banken können in ihrer Bilanz eigene Schulden (in Form von Schuldverschreibungen) zum Marktwert verbuchen. Wenn diese Schuldverschreibung zum Stichtag weniger wert ist als der Nennwert, dann wird die Differenz als Gewinn verbucht - obwohl gar kein Deal stattgefunden hat. Alles klar?

Ich versuche es mal an einem (arg konstruierten) Beispiel: Jemand leiht meinem Unternehmen 200.000 Euro, dafür kaufe ich mir ein Bürogebäude. In meiner Bilanz hätte ich dann 200.000 Schulden. Weil das Haus aber zum Jahresende aufgrund fallender Immobilienpreise nur noch 150.000 Euro wert ist, habe ich plötzlich nur noch 150.000 Schulden - und einen entsprechend höheren Gewinn. Dass ich meinem Gläubiger die 200.000 Euro später zurückzahlen muss, fällt dabei nicht ins Gewicht.

Durch diese "Luftbuchungen" hat die UBS einen Quartalsgewinn von 1 Milliarde Franken erzielt, die Bank of America 6,2 Milliarden Dollar.
Wenn ich mir vorstelle, dass auf der Basis solcher Zahlen Boni ausgeschüttet werden... nee, stelle ich mir lieber nicht vor.
(Gefunden in der Financial Times Deutschland vom 22.12.2011, S. 15: Aufseher wollen Bilanztricks verbieten)

Mittwoch, 21. Dezember 2011

500 Milliarden für 1%

Gerade im Radio gehört: Die Europäische Zentralbank leiht notleidenden Banken fast 500 Milliarden für drei Jahre zu einem Zinssatz von 1%!
Da möchte man Bank sein, oder? Ob diese Banken uns Unternehmern nun Geld für 2% zur Verfügung stellen? Wohl kaum, sie werden fleißig in Staatsanleihen investieren, und wenn das schief geht, werden sie gerettet.
Was für ein Geschäftsmodell...

Dienstag, 20. Dezember 2011

Sieben Cent für eine Jeans?

Gerade im Radio gehört: Die Modekette Zara geht in Brasilien gegen Zulieferer vor. Dort entdeckte man kolumbianische Schwarzarbeiter, die für Zara Jeans nähten und dafür ca. 7 Cent pro Jeans erhielten.
Und hier wird immer noch über Mindestlohn gestritten...

Prima Zahlen

Eins der missverständlichsten Zitate aller (Management-)Zeiten: "Was man nicht messen kann, kann man nicht managen." Weiß zufällig jemand zuverlässig, vom wem das Zitat überhaupt stammt? Ich habe ein wenig recherchiert und fand das Original bei Wikipedia dem amerikanischen Statistiker W. Edwards Deming zugeordnet. Allerdings wohl ganz anders, als es immer wieder interpretiert wird. Dr. Deming is often incorrectly quoted as saying, "You can't manage what you can't measure." In fact, he stated that one of the seven deadly diseases of management is running a company on visible figures alone.

Na sowas. Wider die Zahlengläubigkeit spricht sich auch der Mathematiker Claus Peter Ortlieb in der Brand eins 11/2011 aus. Was bei mir die Erinnerung an ein Bild wachrief, das mir einmal mein Bruder (selbst Physiker) schickte. Fein, oder?
(Quelle: E.H. Simmons,”How to popularize physics”, Physics Today 58(1), 42 (2005); doi: 10.1063/1.1881899)

Rezension zum Thema:
Die Welt lässt sich nicht berechnen, Brand eins 11/2011

Sonntag, 11. Dezember 2011

Ein CEO lernt nicht mehr

Seminarbesuche sind etwas für Manager, die noch einen Chef über sich haben. Wer es bis ganz an die Spitze geschafft hat, der hat einfach keine Zeit mehr für solche Spielereien. Und einen MBA-Titel braucht er auch nicht mehr. Der ist nämlich gut für die Karriere - aber wohin will jemand, der schon ganz oben ist?
Darüber wundern können sich nur Journalisten und Anbieter von teuren Programmen. Als ob die Bundeskanzlerin oder Josef Ackermann noch Seminare zum Thema "Wie führe ich meine Mitarbeiter" besuchen. Oder der Papst...
(gefunden in "Seminare fürs Fußvolk", FTD vom 28.10.2011, Seite A7)

Soft-Skill-Plus

Lese gerade, dass Manager im Executive MBA-Studium an ihrer Persönlichkeit feilen dürfen. Reine Betriebswirtschaft ist Handwerk, nun geht es ans Eingemachte. Was darunter zu verstehen ist? Naja, sie lernen zum Beispiel, wie man harte Entscheidungen verkündet und dabei die Würde des Gegenüber wahrt. Und wie sie zu einem "konsistenten Selbstbild" gelangen. Als Soft-Skill-Plus wird das in einem Artikel der FTD bezeichnet. Klingt wie ein Grippe-Medikament.
Auch ein schönes Zitat: "Persönlichkeit wird im Wettlauf um die Positionen an der Spitze im wichtiger". Früher ging's offenbar auch ohne Persönlichkeit.
(gefunden in: Im Meeting mit sich selbst, FTD vom 28.10.2011, S. A3)

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Weibliche Intelligenz

Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass Teams mit intelligenten Individuen keineswegs intelligente Problemlösungen liefern. Es gibt allerdings ein Merkmal, dass die Intelligenz von Gruppen deutlich erhöht: Der Anteil weiblicher Teilnehmer. Mehr noch: Es reicht nicht, ein gemischtes Team aus Männern und Frauen zusammenzustellen. Es müssen viele Frauen sein. Wörtlich: "Jede zusätzliche Frau erhöht die kollektive Intelligenz einer Gruppe maßgeblich."

Tja, Kollegen, was sagt uns das? Eine Erklärung der Forscher: Der entscheidende Faktor könnte die soziale Kompetenz sein, die bei Frauen höher ist. Was umgekehrt allerdings bedeutet, dass es offenbar wenig sozial kompetente Männer gibt. Schluck...
(gefunden im Harvard Businessmanager 8/2011, S. 10-11: Der weibliche Faktor)

Montag, 5. Dezember 2011

Training bei McKinsey

Oha, ein neuer Fachbegriff: "Educonsulting". Wenn Berater als Trainer auftreten, darf das ja nicht einfach "Training" oder gar "Weiterbildung" heißen. Und ein Trainingscenter heißt auch nicht "Trainingscenter". Sondern "Capability Center". Ein solches Center erstreckt sich über 1000 qm bei München und wird von McKinsey betrieben. Auch der Branchenprimus ist auf der Suche nach neuen Einnahmequellen. Und hat sich Erkenntnisse von Konfuzius zunutze gemacht: Wir lernen am meisten, wenn wir etwas tun. Sieh mal einer an.

Also gibt es im McKinsey Capability Center (MCC) keine Vorträge (und vermutlich auch keine PowerPoint-Präsentationen), sondern es wird sofort mit der Umsetzung begonnen. Dafür wurden einige Übungsfirmen originalgetreu nachgebaut: Das Büro einer Ölfirma, eine Bankfiliale, ein Online-Weinhandel. Und damit sich das alles auch rechnet, soll ein Training für 20 bis 25 Teilnehmer dort angeblich 750.000 bis 1 Mio. Euro kosten. Bedeutet pro Teilnehmer ca. 40.000 Euro. Kann man sich vorstellen, dass es Unternehmen gibt, die so viel Geld für ein Training ausgeben? Kann man. Dafür bekommen sie dann auf Manager zurück, die Wein über das Internet verschicken können...

Introvertierte vereinigt euch!

Da ist viel Wahres dran: In der Berufswelt setzen sich diejenigen leichter durch, die sofort zu allem eine Meinung haben und diese auch stets kundtun. Wer sich vornehm zurückhält und erst einmal nachdenkt, bevor er redet, fällt weniger auf und tut sich entsprechend schwer mit der Karriere.

Was kann der Introvertierte dagegen tun? Sich mehr zu Wort melden ist kein schlauer Tipp - das ist so, als würde man denjenigen, die kurze Beine haben und daher kein Sprintrennen gewinnen, empfehlen, schneller zu laufen.

Eine Idee stammt - woher wohl? - aus den USA: Eine Bewegung gründen. Wie es die Frauenbewegung vorgemacht hat. Schließlich ist auch die Hälfte der Bevölkerung introvertiert. Im ersten Moment dachte ich: Na prima, da es noch eine ganze Reihe von bezüglich ihrer Karriere benachteiligten Gruppen gibt, gründen wir doch mal flugs lauter Bewegungen: Die der nicht mit Schönheit gesegneten Menschen, der Langschläfer, der Morgenmuffel, der ... aber wieso eigentlich nicht? Wäre sicher nicht der schlechteste Weg, auf Schieflagen hinzuweisen...
(Besprechung zu dem Thema: Unter Schreiern, Financial Times Deutschland vom 14.10.2011)